Die Nacht war eher durchwachsen. Eine Mischung aus Hitzewallungen und frieren hat mir einen Tiefschlaf verwehrt. Aber es hilft nix. Das Tagesziel, die Insel Runde, ruft. So starte ich nach einem schnellen Kaffee um 7:50 Uhr von Lillehammer.
Auf dieser Route gibt es deutlich mehr lohnende Fotomotive. Mit jedem weiteren km wird aber auch das Wetter schlechter. Viele graue Wolken, zwischendurch regnet es. Viel, sehr viel Wind. Dennoch nutze ich einige Möglichkeiten zum fotografieren. Irgendwann wird es aber einfach zu ungemütlich und ich fahre weiter.
Als ich dann nicht Richtung Trondheim fahre, sondern Richtung Alesund wird es landschaftlich gesehen sehr schön und äußerst abwechslungsreich. Aber das Wetter wird einfach nicht besser. Ein paar Bilder konnte ich machen, das muss eben reichen. Kurios sind die vielen dunklen Tunnel durch die es geht. Teilweise sehr grob in den Berg / Fels gehauen. Ohne viele Lichtquellen ist es irgendwie gruselig da durchzufahren. Viel Platz gibt es auch nicht. Ein Tunnel geht sogar recht lange bergab, da wird es mir schon mulmig. Aber es geht alles gut und immer wenn sich meine Augen wieder an die Helligkeit gewöhnt haben, nähere ich mich km um km zum Tagesziel Insel Runde. Etwas schade nur, dass das Wetter so schlecht ist. Ich hoffe, ich kann wenigstens am nächsten Tag ein paar Papageientaucher erwischen.
Weiter begleitet von Regen, grauem Himmel und Nebel überquere ich dann die erste Brücke, die die ganzen Inseln verbindet. Schon der Weg davor war schmal mit nur einigen wenigen breiteren Stellen zum anhalten um den Gegenverkehr durchzulassen. Aber diese Brücke… Und dann geht es auch noch so steil hinauf, dass der Gegenverkehr nicht zu sehen ist. Ich hoffe nur, es kommt mir niemand entgegen und wenn, dann bitte ein PKW der leicht rückwärts fahren kann. Aber diese Sorgen sind umsonst. Über alle Brücken fahre ich leicht angespannt, aber ohne Gegenverkehr rüber. Meine GoPro läuft und ich hoffe, das kann man alles gut erkennen auf den Bildern und den Videos. Es ist einfach schwer zu erklären, aber ein Wort trifft es schon: „Abenteuerlich“.
Am Campingplatz angekommen parke ich erstmal und melde mich an. Die Nacht kostet 235 NOK inkl. Strom. Es sind sehr nette Betreiber und nach ein paar Worten auf englisch sprechen beide dann deutsch als ich meine Handynummer notiere mit der deutschen Ländervorwahl. Die Chefin gibt mir einen Plan der Insel mit und schreibt noch Zeiten auf, an denen die Papageientaucher am besten zu sehen sind. Zwischen 19 und 23 Uhr, dazu noch die Markierung welchen Weg ich nehmen soll und wie lange dieser dauert. Ich bedanke mich, sage noch wie gut ihr deutsch ist und begleite den Chef zum Platz. Er bietet mir einen Platz direkt am Wasser an. Wunderbar! Jeder Platz hat noch ein Set aus Tisch und Bänken. Stromanschluss direkt in meiner Nähe. Ich bin begeistert.
Nachdem ich passend stehe, am Strom angeschlossen bin und lange genug den Ausblick genossen habe, koche ich mir was leckeres. Die letzte Packung Steak und Bratkartoffeln mit den schwedischen Kartoffeln.
Als es herrlich duftet und ich mich an den Tisch setze öffnet sich die Wolkendecke. Ein paar Sonnenstrahlen kämpfen sich durch. Soll ich also heute noch hoch?
Es ist kurz vor 18 Uhr. Spontan packe ich meine Bauchtasche, checke die Akkus meiner Kameras und ziehe mich warm an. Während ich loslaufe rufe ich meine Mama über WhatsApp an. So genial sich sehen zu können und auch zeigen zu können wo ich gerade bin. Zwanglos plaudern wir so dahin und ich laufe den vielen anderen Touristen hinterher. Und um die Ecke geht es dann nach oben. Und wenn ich oben sage, dann meine ich hoch oben….
Ein ganzes Stück habe ich noch das Handy in der Hand, berichte von den Tunneln und den Brücken. Um Atem zu sparen verabreden wir uns für später. Dann kämpfe ich mich nach oben. Hin und wieder entdecke ich interessante Fotomotive und bekomme so genug Atempausen.
Jeder Schritt nach oben bringt mich nicht nur näher zum Ziel, mit jedem Schritt verbessert sich auch das Wetter. Ich bin so gespannt ob es anhält und ich Glück habe. Oben angekommen dann der Blick runter entlang der Klippe. Oha eigentlich nix für mich. Aber ein paar Meter weiter kann ich mich in eine Mulde setzen, am Felsen anlehnen mit Blick auf die Klippen an denen unzählige Papageientaucher umherfliegen. Ein beeindruckendes Schauspiel. Fotografisch gesehen eine Katastrophe weil kein Flug vorhersehbar ist und sie schnell und wendig die Richtung wechseln und manchmal landen und dann auch wieder nicht. Aber ich habe Zeit und eine professionelle Ausrüstung. So verharre ich mit voller Konzentration auf die Klippen bis ich von einem Schaf direkt neben mir erschreckt werde. Es blökt mir fast ins Ohr, wer rechnet denn mit sowas. Nachdem ich einige gute Bilder gemacht habe stehe ich auf und laufe weiter an den Klippen entlang. Mit jedem Wechsel wird es besser. Jetzt habe ich auch viele andere Perspektiven von sitzenden, fliegenden und landenden Papageientauchern. Der starke Wind hat mich dazu gebracht eine Mütze aufzusetzen. Die Kapuze vom Pulli drüber zu stülpen und am Ende noch die Kapuze meiner Jacke darüber. So eingepackt sitze ich still im Windrauschen. Genieße die Sonnenstrahlen, Blick auf das Wasser, beobachte das Schauspiel und habe Tränen in den Augen. Ein Moment voller Frieden und voller Glück. Schlagartig wird mir bewußt, was das hier für ein Luxus ist. Ich bin voller Dankbarkeit. Mein Mann und meine Eltern haben mich bei meinem Traum, meinem Abenteuer unterstützt. Auch wenn sich alle um mich sorgen, so gewähren sie mir diese besondere Freiheit. Ich bin der reichste Mensch auf Erden!
Die Sonne wandert weiter, so mache auch ich mich wieder auf den Rückweg. Auch hier bin ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort und erwische noch Raubmöwen. So nah und so elegant. Es war die richtige Entscheidung noch hoch zu gehen!
Langsam steige ich also wieder runter in Richtung Campingplatz und merke wie zufrieden ich bin. Aller Unmut und negative Gedanken sind verschwunden. Wo ich ein Problem sah ist nun nur noch ein neutrales Gefühl. Ich bin befreit und voller Energie. Noch so müde vor einigen Stunden und jetzt brenne ich darauf meine Bilder zu sichern und zu sichten. Gleichzeitig möchte ich auch alles niederschreiben.
Noch auf dem Rückweg spreche ich im Videochat mit meiner Mama und meinem Mann. Begeistert berichte ich und wir unterhalten uns noch lange als ich bereits im Blacky bin. Auch wenn uns heute 2.400 km trennen, so sind wir uns doch ganz nah.
Mit einer frischen Kanne Tee mache ich mich an die Bilder. Oh ich bin begeistert, aber mehr als sichten und sichern ist nicht mehr drin. Irgendwann höre ich auf meinen Körper und mache mich bettfertig und bin im Nu im Traumland.